Wenn man dem breiten Spektrum der musikalischen Arbeit und Genre übergreifenden Neugierde Jonathan Stockhammers gerecht werden möchte, darf man nicht in Schubladen denken. Der in L.A. geborene Dirigent ist ein Grenzgänger der Musik und beschäftigt sich mit derselben Leidenschaft mit sogenanntem klassischen als auch zeitgenössischen Repertoire. Musik in ihrer Universalität zu begreifen und wertzuschätzen ist der Motor seiner Arbeit – große Musik ist für ihn nicht gebunden an ein bestimmtes Genre. Er liebt die Oper, das klassische Ballett und moderne Tanztheater genauso wie experimentelle Uraufführungen oder unkonventionelle Konzertformate, die verkrustete Strukturen zugunsten neuer Hörerfahrungen aufbrechen. Sein Talent, Musik zu erklären und das Publikum nicht nur als Resonanzraum, sondern als Dialogpartner zu begreifen, macht Musik neu versteh- und erlebbar. Er ist ein charismatischer Kommunikator, der seine interpretatorische Sensibilität sowohl auf bekanntes und beliebtes Repertoire als auch auf übersehene Meisterwerke der Vergangenheit anwendet. Die Komponisten von heute schätzen ihn als erfahrenen, flexiblen und klugen Partner, der ihre neuen Werke zum Leben erweckt. Auf der Bühne knüpft er enge Verbindungen zwischen Interpreten und Publikum. Sowohl bei Proben als auch Aufführungen hat er die Gabe, eine Gemeinschaft auf Augenhöhe und für genau diesen Moment zu schaffen. Die Liste seiner Operndirigate, darunter Zemlinskys Eine florentinische Tragödie, Sciarrinos Luci mie traditrici und Monkey:Journey to the West von Damon Albarn, weist ihn als Dirigenten aus, der komplexe Partituren und spartenübergreifende Produktionen als willkommene Herausforderung begreift und meistert. Regelmäßig zu Gast war er seit 1998 an der Opéra de Lyon. 2009 führte er mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart zwei Werke Wolfgang Rihms auf, Proserpina und Deus Passus. 2013 gab er sein Debüt an der New York City Opera in Thomas Adès‘ Powder her Face. 2016 war er erstmalig für eine Neuproduktion von Peter Eötvös‘ Tri Sestri (Drei Schwestern) an der Wiener Staatsoper zu Gast, an die er im Frühjahr 2020 zurückkehrte. 2019 gab er mit der Uraufführung von Michael Pelzels Last Call sein Debüt am Opernhaus Zürich und war erneut in der Saison 2021/22 zu Gast. Nach der Neuproduktion von Philip Glass’ Satyagraha, inszeniert von Sidi Larbi Cherkaoui, an der Komischen Oper Berlin und am Theater Basel eröffnete er die Basler Saison 2019/2020 mit Luigi Nonos Al gran sole carico d’amore. In der Saison 2022/23 gab er seine Debüts an der Opera Vlaanderen (Satyagraha), der Oper Frankfurt (Das schlaue Füchslein) sowie beim Staatsballett Berlin (Onegin). In der Saison 2023/24 wird er die Eröffnungsproduktion BOVARY für Christian Spucks Intendanz am Staatsballett Berlin leiten. Im symphonischen Bereich hat Jonathan Stockhammer zahlreiche renommierte Klangkörper geleitet, darunter das London Symphony Orchestra, Oslo Philharmonic Orchestra, das NDR Sinfonieorchester Hamburg, das hr-Sinfonieorchester, das Sydney Symphony Orchestra, das Seoul Philharmonic Orchestra, das Philharmonia Orchestra und die Tschechische Philharmonie. Er war auf Festivals wie den Salzburger Festspielen, dem Lucerne Festival, den Schwetzinger Festspielen, den Donaueschinger Musiktagen, der Biennale von Venedig, den Wiener Festwochen und Wien Modern zu Gast. Für Produktionen, die sich den gängigen Kategorisierungen entziehen, hat er eine besondere Vorliebe. Dazu gehören Greggery Peccary & Other Persuasions, eine CD mit Werken von Frank Zappa mit dem Ensemble Modern (RCA, 2003), die mit einem ECHO Klassik ausgezeichnet wurde, sowie der neue Soundtrack zu Sergei Eisensteins Film Panzerkreuzer Potemkin von und mit den Pet Shop Boys. Die von ihm dirigierte Liveaufnahme The New Crystal Silence mit Chick Corea, Gary Burton und dem Sydney Symphony Orchestra erhielt 2009 einen Grammy. Sehr erfolgreich war auch seine Zusammenarbeit mit dem Rapper Saul Williams für Said the Shotgun to the Head, eine Komposition von Thomas Kessler, die Jonathan Stockhammer mit dem WDR Sinfonieorchester Köln, dem RSO Stuttgart und Oslo Philharmonic zur Aufführung brachte. Jonathan Stockhammer studierte zunächst Chinesisch und Politologie, später Komposition und Dirigieren in seiner Heimatstadt Los Angeles. Noch während des Studiums sprang er für mehrere Konzerten beim Los Angeles Philharmonic ein und assistierte in der Folge dem Chefdirigenten Esa-Pekka Salonen. Mit Abschluss seiner Studien zog er nach Deutschland um und entwickelte enge künstlerische Beziehungen zu bekannten europäischen Ensembles wie dem Ensemble Modern, dem Collegium Novum Zürich und dem Ensemble Resonanz.